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Kruste. Sie eilte in den Stall und spähte zurück, ob irgendwo Laternen auftauchten, Männer
ausschwärmten, sie suchten. Dann würde sie nie durchkommen. Nicht einmal bei Nacht, nicht
mit einem Pferd, wie sie es im Dunkeln finden und satteln konnte. In verzweifelter Hast stieg
sie die Leiter zum Heuboden hoch. Verschlafenes Gurren und Glucksen begrüßte sie aus dem
Schlag der Botenvögel. Sie riß die Tür des Verschlags auf, ließ die Arme kreisen, drängte sie
mit hartem Unterton: Schsch! Schsch! Hinaus, hinaus, fliegt...
Die Vögel flatterten aus dem runden Bodenfenster. Sie zeichneten sich scharf vor dem Schnee
ab, kreisten kurz als geschlossene Gruppe, verwirrt von der plötzlichen Freiheit. Fast als
würden sie von einer einzigen Intelligenz gelenkt, schwebten sie in der Luft, machten kehrt
und flogen in den Sturm hinaus - fort, fort, über den Paß nach Scaravel.
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Dort wird man sich sagen, daß etwas nicht stimmt. Sie werden kommen, sie werden mich
retten ... mein einziger Bruder Ruyven, mein Cousin, mein Verwandter, mein geliebter
Rafael...
Vor Anstrengung keuchend, lehnte sich Mhari gegen einen Dachbalken. Das Heu war so
weich unter ihren Füßen, daß sie gern hineingesunken wäre, um zu schlafen, zu schlafen, für
immer zu schlafen ...
Sieh mal , rief draußen jemand, der eine Laterne schwenkte, da fliegen sie hin - sämtliche
Vögel! Es ist wer auf dem Heuboden, Männer! Faßt ihn! Hinauf! Mir nach!
Ihre Arme, ihre Hände zitterten vor Erschöpfung. Mhari stellte das Bündel mit Fleisch und
Brot ab, das sie in die Tasche gestopft hatte, und faßte müde nach dem Schwert. Sie hörte das
Scharren von Füßen auf der Leiter, sah das Licht einer Laterne durch die Falltür schimmern.
Den Schwertgriff umklammernd, wich sie von dem Loch im Fußboden zurück. Das hohe
Schrillen war rings um sie, und sie hörte das Heu unter ihren Füßen rascheln.
Hier oben! rief der Mann. Mir nach...
Aus seinem Kopf spritzte Blut, noch bevor Mhari merkte, daß das Schwert die Scheide
verlassen hatte. Der tote Räuber fiel, sich überschlagend, auf die sich unten zusammen-
drängenden Männer. Es herrschte Stille, und nach einer Weile entfernten sich die Laternen.
Das Schwert glitt zurück. Es summte vor Vergnügen. Trübes graues Licht stahl sich auf den
leeren Heuboden. Schnee trieb durch das Fenster. Mhari rieb sich das Gesicht mit Schnee ab,
um sich zu erfrischen. Ihre Augen brannten. Narthen war tot, und die Räuber rannten im Hof
umher wie Skorpion-Ameisen, wenn man ihren Hügel eingetreten und die Königin
totgetrampelt hat. Ein paar ritten fort. Andere stritten lautstark darüber, wer sie jetzt anführen
solle. Eine der Frauen, einen Sack voll Silberteller vor sich auf einem Esel, den Rock bis zu
den Knien hochgezogen, da sie im Herrensitz ritt und ihre Beine in den geringelten
Wollstrümpfen zeigte, verschwand im Zuckeltrab bergab. Mhari hörte zwei der Räuber
darüber sprechen, ob sie ihr nachsetzen sollten, aber dann begannen sie, sich wegen
irgendwelcher Beutestücke, die sie haben wollten, zu beschimpfen.
Mit etwas Glück geraten sie sich alle in die Haare, töten sich gegenseitig. Ich bleibe hier
versteckt, bis sie weg sind. Heute abend müßten die Vögel Scaravel erreicht haben ... Auch
wenn die Hälfte von ihnen der Kälte, dem Sturm und Raubtieren zum Opfer fällt, wird der
Rest die Leute von Scaravel darauf aufmerksam machen, daß etwas passiert ist...
Sie aß von dem Brot und trank von dem sauren Wein, verzog das Gesicht und wünschte, es
wäre Wasser oder Milch. Nach einiger Zeit hörte sie Schritte im Stall unten. Aber es war nur
jemand, der ein Pferd hinausführte, und sie beruhigte sich wieder.
Das hohe Schrillen ertönte in ihrem Kopf. Blut, Blut, ich will Blut...
Nein, sagte sie zu sich selbst. Jetzt nicht. Sie würde sich hier verstecken, bis die Räuber fort
waren; weiteres Blutvergießen war nicht notwendig. Führerlos würden sich Narthens Männer
nie einig werden, wie sie die Burg halten sollten, und wenn die Retter aus Scaravel eintrafen,
hatten sie wenig Mühe, die paar Zurückgebliebenen loszuwerden ...
Ich habe Durst! Ich will Blut!
Mhari biß die Zähne zusammen, zwang die Stimme zum Schweigen. Doch gegen ihren
Willen wanderte ihre Hand an den Schwertgriff ... Das Schwert war in ihrer Hand, -es lag
nackt in ihrer Hand, und das hohe Schrillen füllte ihren Kopf, füllte die ganze Welt ...
Zieh mich nur, wenn ich Blut trinken darf! Du hast geschworen, meinen Preis an Blut zu
bezahlen, an Blut, Blutblutblut... Das Summen war so laut, daß Mhari fürchtete, taub davon
zu werden. Schluchzend stellte sie fest, daß sie auf den Füßen stand, daß sie ihre Schritte zur
Leiter richtete ...
Nein! O Götter, nein, nein ... ! rief sie halblaut. Das Schwert zerrte sie weiter, bis sie Gefahr
lief, kopfüber durch die Falltür zu stürzen. Blindlings setzte sie die Füße, suchte gegen ihren
Willen die Sprossen der Leiter, die sie in den Hof zwischen die streitenden Männer führte.
Das Schwert blitzte ...
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Ein Mann lag tot zu ihren Füßen, dann ein zweiter. Sie fühlte sich vorwärts springen, fühlte
ihre Arme sich heben, sie tötete ohne Nachdenken und ohne Willen. Ein Mann lag heulend
auf dem Boden, ein anderer, dem der Arm vom Körper getrennt war, schrie und schrie und
blutete, bis seine Schreie erstarben. Mhari würgte, wandte sich ab und übergab sich, aber das
hohe Schrillen des dürstenden Schwertes füllte immer noch ihren Kopf und die ganze Welt ...
Der unsichtbare Tod flammte, spielte, schlug wieder und wieder zu ...
Die Räuber flohen in Panik aus dem Hof, stolperten übereinander. Einige liefen zu Fuß davon,
andere taumelten erst zu den Pferden. Die Beute war vergessen, alles war vergessen bis auf
den unsichtbaren Tod, der sie aus dem Nichts anfiel. Dann war der Hof leer, und ein junges
Mädchen lag weinend, erschöpft und krank im Schnee auf den Pflastersteinen, die Hände
geballt, mit leerem Magen würgend, und es war ganz still bis auf das satte Murmeln des
Schwertes.
Nach langer Zeit stand sie auf und ging in die Burg, wo ein paar übriggebliebene Diener, die
sich dem neuen Herrn unterworfen hatten, um ihr Leben zu retten, sich vor ihr verbeugten und
ihren Befehl befolgten, die Leichen Narthens und seines Leibwächters aus dem großen
Schlafzimmer zu entfernen und zu begraben.
Spät am Abend flog ein Botenvogel auf den Hof. Mhari hörte seine leisen Rufe, kam und
fütterte ihn und nahm von seinem Bein ein Röllchen, auf dem stand:
Falls jemand auf Sain Scarp überlebt hat - wir kommen, wir werden beim zweiten
Sonnenaufgang von diesem Tag an bei euch sein.
Ruyven Delleray Mhari hielt das Röllchen in der Hand und weinte. Mein Bruder, mein Bruder
lebt noch, dachte sie, und er wird morgen hier sein. Aber ich habe meinen Vater und meine
Mutter und meine Schwestern und Brüdergerächt.
... Das Schwert an ihrem Gürtel schrillte.
Nein. Meine Rache ist erfüllt, flüsterte sie, aber das Schwert ließ sich nicht zum Schweigen
bringen. Obwohl sie ihre Hände in sinnlosem Widerstand verkrampfte, wirbelte es plötzlich
durch die Luft.
Der Vogel fiel ihr tot zu Füßen, der Kopf war ihm vom Körper getrennt. Entsetzt betrachtete
Mhari das Blut des Vogels auf dem Schwert und brach in wildes Schluchzen aus.
Auf kraftlosen Füßen schwankte sie in die Kapelle, legte das Schwert auf den Altar und lief
hinaus, so schnell sie konnte, als fürchte sie, es werde ihr folgen.
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